Gedanken zu Liebe, Treue, Eifersucht

Inhaltsübersicht


Warum entstand diese Seite hier von mir

 

Ich lebe seit ein paar Jahren monogam und zwar gerne. Trotzdem höre ich ab und zu von Mitmenschen, daß es für sie nicht einfach erscheint,  meine Philosophie zum Thema Liebe & Partnerschaft zu verstehen. Nur wenige besitzen genügend Mut und Neugier, mal alte Beziehungsideale auszublenden, um Neues mal auszuprobieren. Okay, ich kann das verstehen, denn jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden!

 

Zum Status Quo:

Der homo sapiens hat sich seit der Steinzeit von der Holz- mittlerweile bis zur Kernspaltung vorgewagt. Aber in der Weiterentwicklung unseres monogamen Beziehungs-"Ideals" zwischen Mann und Frau tritt unser Forscherdrang leider auf der Stelle. Das Resulat unseres fehlenden Muts zur Beziehungs-Innovation: Jährlich fast 20.000 Ehescheidungen allein in Bayern, unzählige Seitensprünge mit viel Frust und Tränen, Tendenz steigend !

Wir haben also nichts mehr zu verlieren, unsere bisheriges Beziehungs-Modell hat schon genügend Leid bewiesen.  Egal welche neuen, unbekannten Pfade wir neugierg beschreiten sollten, noch mehr Unheil als bisher können wir gar nicht anrichten und ein Patentrezept finden wir bei dem Thema soweiso nie:

 

Alternative:

Auch in der Liebe geht es - mal ganz nüchtern betrachtet - letztendlich immer nur um das "geringste Übel", so unromantisch das jetzt natürlich an der Oberfläche klingen mag, deshalb mal der Versuch  eines soziologisch alternativen Ansatzs (Modell) :

Unsere Gesellschaft trainiert und prägt die "Natur" des Menschen bereits in der Kindheit in poly-sozialer Form. Denn ein Kind, das immer nur ganz alleine im Sandkasten spielt ohne Austausch mit anderen Partnern quer durch die Geschlechter, gilt als nicht gut entwickelt und wir würden es eher in die autistische Schublade stecken. Die soziale Entwicklung für alle Bereiche unseres zukünftigen Leben wird damit bereits in unserer Kindheit vorprogrammiert.

Kommen wir nun in die Pubertät beschert uns die erotische Variante unserer bis dahin kindgerechten sozialen Vielfalt plötzlich ein Problem: unsere innere "Natur" wurde zwar polygam programmiert, ist aber mit der erotischen Komponente ab sofort offiziell nicht mehr gesellschaftsfähig. Aber keiner zeigt uns nun einen Weg aus dem Dilemma, dem Konflikt zwischen unserer oft verdrängten, inneren polygamen "Natur" und unserer öffentlichen, monogamen Moral durch die  "Erziehung"

 

Monogamie:

Nicht daß wir uns falsch verstehen: monogame Lebensphasen sind wichtig - auch bei mir - und sie haben ihre unabdingbare freiwillige Berechtigung. Die monogame Lebensform ist soziologisch gesehen lediglich der kleinste Auschnitt und Nenner unserer menschlichen Vielfalt. Die Monogamie stellt kein Ideal dar sondern quasi nur das absolute Minimum unserer polygamen Veranlagung: zwei Menschen im Duett. Denn darunter gäbe es ja nichts mehr, außer Autismus und Selbstbefriedgung.

Das hört sich jetzt bei mir alles weit wüster an, als was an polygamer Realität faktisch dahinter steckt. Ich möchte mit diesen Zeilen auch nur grundsätztlich mal erläutern, welchen potentiellen Freiraum ich mir bzw. meiner "Liebsten" einräume, zumindest gedanklich und ohne gegenseitige  Moralkonflikte, für den Fall aller Fälle. Denn ich möchte von vorne herein dort mit offenen Karten spielen, wo andere weit schlimmer mit verdeckten Karten tricksen. Das hat man mir bisher immer honoriert.

 

Vertrauen:

Denn unter dem Strich schmerzt weniger die sexuelle "Vielfalt" als die geistige "Untreue". In erster Linie, ist es die geistige "Untreue welche z.B. in Form jahrelanger Lügen zutiefst das Vertrauen zerstören und damit abrupt den gemeinsamen Boden zwischen zwei Menschen wegziehen kann. An dieser Stelle werde ich öfters mißverstanden: ich möchte mit der Unterscheidung sexuelle / geistige Untreue keinen "Freibrief" geben für stetig sexuelle Abenteuer nach dem Motto ".... aber Liebling, fü die andere empfinde ich doch nur körperlich.... nur Dich liebe ich wirklich..." Denn bei der Freibrief-Diskussion geht es um einen ganz anderen Irrtum vornehmlich bei der Männlichkeit, die meint, sie könne ihre Empfindungen getrennt voneinander ausleben  Den sexuellen Trieb zu einer Frau getrennt von der menschlichen Liebe zu einer anderen Frau. Ganz nebenbei bemerkt: auf Dauer gibt mir diese Trennung letztendlich keine Befriedigung.

 

Untreue:

Aber nun zurück zum Thema geistige "Untreue": das Wort "treu" wird im Gegensatz zu meinem Verständnis - das sich übrigens auch mit dem Duden (= zuverlässig, beständig, verbündet, loyal) deckt - landauf landab oft gerne mit der Bedeutung von "für mich exclusiv" (= Nicht-Vielfalt) verwechselt. Daraus ergibt sich auch der unfaire Beigeschmack für die böse Negation "untreu". Interessant ist dabei, daß man die Begrifflichkeit der exclusiven "Treue" auschließlich im Bereich der Thematik Beziehung von Mann / Frau idealisiert und fordert. Daß eine Mutter z.B. nicht nur einem Kind exclusiv sondern all ihren vielen Kindern treu sein kann und sogar sollte, ist ein Beispiel stellvertretend dafür, wie widersprüchlich die Bedeutung des Wortes "treu" auch in anderen Lebensbereichen idealisiert wird.

Es ist es eigentlich müßig, überhaupt das Thema "Treue" im Sinne von "exclusiv" zu thematisieren, geschweige "Treue" vom Partner als Kriterium für eine "funktionierende" Liebe einzufordern. Denn wenn beide täglich "riskieren", sich im freien Spiel ihrer (körperlichen) Anziehungskräfte auszubalancieren, dann sind beide unreflektiert, automatisch "treu", wenn sich eben ausreichend Anziehungkraft bestätigt. Wenn man sich nicht mehr ausreichend angezogen fühlt, dann macht uns allein schon die polygame Natur empfänglich für "Alternativen". Denn Beständigkeit in der Anziehung kann man einfach nicht erzwingen. Also bestenfalls sollte man sich mehr Gedanken machen über die eigentlichen Ursachen der schwindenden Anziehung und "Treue". Es macht keinen Sinn den Gaul von hinten aufzuzäumen, in dem man die "Treue" fälschlicherweise" als die scheinbare Basis für Liebe und Anziehung vorab schon fordert. Treue ist das Resultat von Anziehungskraft und nicht umgekehrt.

 

Es gibt ein Taschenbuch (auch E-Book-Fassung mit Leseprobe in PDF) von Peter Lauster, daß ich ca. 1982 in die Finger bekam. Der Titel lautet

cover Die Liebe
Psychologie eines Phänomens
cover

 

Dieses Buch hat mein Lebens-Entwicklung massgeblich beeinflußt, weil ich endlich von jemanden hörte, der meine Gedanken und Vorstellungen in einer Weise bestätigte, wie bisher kein anderer bis dahin. Auch wenn ich Peter Lauster nicht persönlich kenne, er gab mir damit den Mut, zu meinen Vorstellungen beim Thema Liebe auch zu stehen. Aus einigen seiner Kapitel, die mir besonders wichtig erscheinen, habe ich hier ein paar Auszüge dargestellt und die wichtigsten Zitate farblich hervorgehoben. Das Buch kostet knapp 15 DM und ich kann nur jedem empfehlen, es zu kaufen und immer wieder mal darin nachzulesen. Vor allem wenn man mal unsicher ist, ob das "richtig" oder "pervers" ist, was man im Bereich der Liebe gerade wagt ? Es gibt auch noch eine Leseprobe zu seinem Buch, welche die ersten 10 Seiten komplett darstellt.


Die Liebe Psychologie eines Phänomens Taschenbuch-Auszüge von Peter Lauster
(Ausgabe 86-115.Tausend Januar 1984)

 

Vorwort von Peter Lauster

 

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Ich stelle immer wieder fest, daß die Mehrzahl der Menschen in der Entfaltung ihrer Liebesfähigkeit gehemmt und blockiert ist. Ich möchte deshalb mit diesem Buch nicht nur an den Verstand appellieren und einen sogenannten "Wissensstoff" vermitteln, sondern vielmehr beim Leser einen Erkenntnisprozeß anregen. Ich möchte, daß Sie sich mit den Erkenntnissen auseinandersetzen, weil sie Sie persönlich ganz individuell etwas angehen. Die persönliche Betroffenheit von der Thematik Liebe sollte Sie anregen, dieses Buch subjektiv zu verarbeiten. Die einzelnen Worte und Thesen sind unbedeutend, wenn Sie ihnen keine persönliche Bedeutung für Ihr Leben geben können. Distanzieren Sie sich also nicht, indem Sie alles auf eine nur intellektuelle Ebene schieben. Ich möchte Sie ermuntern, Ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse genauer zu beobachten und möchte einen subjektiven Erkenntnisprozeß auslösen, der Sie der eigenen Liebesfähigkeit näherbringt. Mehr zu lieben und weniger gleichgültig und stumpf durchs Leben zu gehen, daraufkommt es an.

Das Buch enthält keine einfachen oder gar bequemen Rezepte. Es verrät auch keine simplen Tricks, wie man andere schnell und problemlos in sich verliebt machen kann. Ich verstehe das Buch vielmehr als eine Anregung zur Selbstfindung. Es soll Mut machen, zu mehr seelischer Freiheit zu gelangen, häufiger und intensiver zu lieben als bisher. (Ende Seite 12) Das Geheimnis der Liebe ist seelische Wachheit und Freiheit, das Geheimnis von Wachheit und Freiheit aber ist der Mut. Es ist viel Mut erforderlich, die eigenen Gefühle wach und vorurteilslos genau zu betrachten.

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Köln, März 1980


Die 9 Mythen der Liebe

 

In einer Buchhandlung finden Sie viele Bücher über Sexualität, aber nur sehr wenige Bücher über die Liebe. Die Sexualität wurde und wird wissenschaftlich von Medizinern und Psychologen erforscht, nicht jedoch die Liebe. Woran liegt das?

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Weil sich die Liebe schwer messen läßt, existiert sie bis heute nicht in der psychologischen Forschung. Dies ist sehr bedauerlich, denn obwohl sie sich nicht messen läßt, so ist sie doch existent, und man kann sie untersuchen allerdings nicht mit den sogenannten naturwissenschaftlichen Methoden. Über die Liebe muß man nachdenken, man muß sie erfahren und darüber beschreibend schreiben - so fällt sie in das Gebiet der philosophischen Psychologie, und gerade damit wollen die wissenschaftlich orientierten Psychologen wenig zu tun haben. Deshalb haben sich Psychologen zum Thema Liebe so wenig geäußert, obwohl sie natürlich zentral ins Gebiet der Seelenforschung gehört; wohin denn sonst? Ins Gebiet der Religion vielleicht? Mit der Seele und Liebe beschäftigt sie sich auch - aber eben "unwissenschaftlich"!

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Die Liebe ist keine Sache des Verstandes, sondern eine Angelegenheit des Gefühls. Sie können noch soviel über die Liebe lesen oder nachdenken, wenn es nur über den Verstand und das Denken aufgenommen wird, bleibt es für Sie ohne Wert. Die Liebe ist ein elementarer Zustand, der nicht vom Denken herbeizitiert werden kann.

Zunächst möchte ich mit den vielen Irrtümern und Mythen aufräumen, die mit der Liebe verbunden sind. Wenn diese Mythen weggeräumt werden, von jedem einzelnen in seiner persönlichen Lebenssituation, dann wird das Richtige plötzlich sichtbar. Das Richtige taucht für den einen nur kurz aus dem Nebel auf und verschwindet dann wieder. Für einen anderen ist die Klarheit da, und er kann sie auch festhalten. Das Leben ist sinnvoll, wenn die Liebe da ist, andernfalls ist das Leben voll Leid, Angst und Unsicherheit. Warum das so ist, versuche ich auf den folgenden Seiten ins Bewußtsein zu holen. Jeder kann die Wahrheit erkennen, und ich hoffe, daß es möglichst vielen gelingt, sie festzuhalten.

 


Mythos 6: "Die große Liebe dauert ewig"

Die Liebe ist ein konstanter Begleiter in unserem Leben, insofern ist sie ein Faktor, den der Mensch während seines Lebens nicht loswerden oder "abschütteln" kann. Ein Leben ist dann glücklich, wenn es dem Menschen gelingt, seine Liebesfähigkeit täglich neu zu entfalten.

Mit "großer Liebe" ist jedoch die Liebe zu einem Partner gemeint, eine besonders starke Liebe, die auf Grund dieser Stärke ewig (damit ist gemeint: das ganze Leben bis zum Tod) andauert, hierbei zwar Schwankungen unterworfen sein kann, aber nie zerstört werden kann.

Die "Grosse Liebe" ist nach dieser weitverbreiteten Auffassung ein schicksalhaftes Ereignis, das dem Menschen begegnet und das wegen seiner Größe und Gewaltigkeit ewig dauert. Das ist natürlich Unsinn, denn jeder Mensch ist für seine Liebe selbst verantwortlich, sowohl was die Größe (Intensität) als auch die Dauer anbelangt.

Doch die Frage läuft darauf hinaus: Kann eine intensive,(Ende Seite 40) ehrliche und mich bewegende Liebe lange andauern, vielleicht ein Leben lang, ohne nachzulassen? Dieser Gedanke beschäftigt sehr viele Menschen, denn die Liebe sollte auf Grund unserer Ehegesetze möglichst lange anhaltenden, da die Ehe ja eine Liebes- und Lebensgemeinschaft sein soll. Außerdem lebt es sich in einer lebenslange Ehe besser mit als ohne Liebe. Wenn die Liebe rasch vorüberginge, dann stünde das im Gegensatz zu der Absicht, die Ehe auf Lebenszeit abzuschließen. Man geht aber mit der Hoffnung in die Ehe, daß die Liebe ein Leben lang hält. Manche gehen sogar in die Ehe mit der Vorstellung, daß sich die Liebe noch entwickelt und dann bis ins Alter andauert.

Was ist dazu psychologisch zu sagen? Die Meinung der Psychologen ist hierbei nicht unbedeutend, dennoch sollten wir uns darüber klar sein, daß die Ehe als Institution viel länger besteht als die Psychologie und daß hier offenbar andere Kräfte am Werk sind, die mit Seelenkunde nichts zu tun haben und auch nichts zu tun haben wollen.

Zur Liebe gehört eine Fähigkeit, die nicht automatisch jeder Mensch besitzt, sondern die in der Kindheit und Jugend erworben wird und die dann abstumpfen kann oder sich weiterentwickelt. Zu lieben ist die Fähigkeit, wach und aufmerksam sensitiv wahrzunehmen, mit offenem Herzen, mit Aufgeschlossenheit. Man macht die Fenster der Seele weit auf und läßt hereinkommen, was der Tag, die Stunde, der Augenblick bringt. Liebe ist nicht möglich, wenn einer sein Herz und seine Seele abkapselt, wenn er sich verschließt und nach Sicherheit strebt.

Liebe ist nur dann möglich, wenn völlige Offenheit herrscht, wenn die Sinne wach sind, wenn die Seele bereit ist zu empfinden, wenn ich verletzlich und empfänglich, für das 'Neue des Tages bin.

Liebe ist etwas, das aus dem Augenblick heraus entstehend das man deshalb nicht festhalten kann -(Ende Seite 41) , sondern das nur im Augenblick lebendig ist. Wenn man den geliebten Partner festhalten oder gar besitzen will, ist das zwar in einer Gesellschaft, die besitzorientiert ist, verständlich, aber es ist andererseits unter psychologischem Aspekt so, daß sich die Liebe nicht besitzen läßt. Im Gegenteil, sobald die Besitzgier hinzukommt, gerät die Liebe in allerhöchste Gefahr. Wenn man besitzen will, kann man nicht mehr ungeduldig und frei betrachten, der Blick ist verkrampft und getrübt, die Sinne verlieren an unvoreingenommener Aufnahmefähigkeit.

Wenn es einem also wirklich um die Liebe zu tun ist - und wann geht es in einer Konsumgesellschaft wirklich nur um Liebe und um sonst nichts? -, sollte man nicht besitzen wollen und sich keine Gedanken um Dauer der Liebe machen. Die Liebe und die Lebendigkeit entfalten sich im Augenblick wie der Duft einer Blume. Bin ich fixiert auf diese Blume, wird der Duft ganz sicher sterben, bin ich mit dem Augenblick zufrieden, dann wird sich der Augenblick wiederholen lassen, ohne daß ich auf Wiederholung aus bin.

Die Liebe zu einem Menschen ist gefährdet, wenn ich unreif bin in meinem Verlangen und wenn dieselbe Unreife beim anderen noch hinzukommt. Bin ich jedoch nicht gierig, besitzdenkend, ängstlich und sicherheitsorientiert, dann kann sich täglich neu die Liebe entfalten, wenn ich meine Sinne öffne. Sie kann sich gegenüber diesem einen Menschen entfalten, das muß jedoch nicht so sein.

 

Denn Offenheit, wenn sie wirklich offen ist, bedeutet
  • ein sich Aussetzen der Unsicherheit,
  • ist Verletzlichkeit und
  • täglicher neue Frische.

Diese schöpferische Haltung agiert nicht nach der Wiederholung

einer Empfindung vom Vortag, sondern ist stets auf den Augenblick eingestellt,

ihr offenbart sich die Schönheit und Häßlichkeit von heute, nicht die von gestern.

Wer nach dem Gestern schielt, lebt nicht wirklich sensitiv in der Gegenwart, seine Liebesfähigkeit ist unterbrochen, sie ist übergegangen in Gedanken an

  • Sicherheit,
  • Festhalten,
  • Pflicht,
  • Treue usw.

Das sind alles andere Dinge als die Liebe selbst.

Wer Treue sucht, dem bedeutet Treue mehr als Liebe, und er sollte deshalb auch von Treue reden, nicht von Liebe..

 

Die Liebe entfaltet sich im Augenblick, und der Augenblick enthält Ewigkeit. Das ist jedoch nicht gemeint mit der "ewigen Liebe zu ein und demselben Partner".

Diese Liebe gibt es nur
von Augenblick zu Augenblick,
und jeder Augenblick ist anders.

Diese Liebe dauert nur ewig,
wenn sich die beiden Menschen
immer wieder neu begegnen können.

Wenn sie die Ewigkeit ihrer Beziehung mit dem Denken und Willen anstreben, dann haben sie ihrer Liebe schon den Todesstoß gegeben.

....... .(Ende Seite 43)


Mythos 7: "Eifersucht gehört zur Liebe."

"An der Eifersucht zeigt sich die Liebe", wird mir oft gesagt. Und dann meist einige Atemzüge hinterher: "Was kann ich gegen meine Eifersucht tun?" Die Eifersucht ist etwas Alltägliches, und wir machen uns das Leben und die Liebe mit ihr schwer. Wir halten die Eifersucht für eine Begleiterscheinung der Liebe, mit der man sich zwar abzufinden hat, aber mit der man auch "fertig werden" möchte.

Kann man Eifersucht überwinden? Überwinden kann man sie nicht, das wäre immer ein Krampf, eine seelische Kraftanstrengung, die letztlich in Abwehrtechniken mündet.

Zunächst möchte ich die Gründe für die Eifersucht untersuchen. Hinter der Eifersucht ist die Angst verborgen, das, was man liebt, zu verlieren, nicht mehr geliebt zu werden, weil ein anderer Mensch dazwischentritt und mir das "Liebesobjekt" oder auch nur einen Teil davon wegnimmt.

Viele sind sogar auf das Hobby ihres Partners eifersüchtig, und sie möchten am liebsten die gesamte Zeit, das ganze Denken einnehmen. Dieser Wunsch, daß der Partner (Ende Seite 44) sich möglichst mit nichts beschäftigt, was er mag, ist eine Angst davor, daß er in einer Tätigkeit, einem Hobby, einer Sportart usw. aufgeht, etwas, das ihn vorübergehend glücklich macht, ein Glück, an dem der eifersüchtige Partner nicht teilhaben kann.

Der extrem Eifersüchtige hat Angst, den Partner zu verlieren, wenn dieser sich einer Tätigkeit zuwendet, die er liebt. Die extreme Eifersucht ist also auf jede Liebe des Partners eifersüchtig nicht nur auf eine erotische Beziehung zu einem anderen Menschen. An dieser extremen Eifersucht ist die egoistische Einstellung besonders gut zu erkennen, aber auch die extreme Angst, den Partner nicht genügend an sich binden zu können. An diesem Extrembeispiel ist außerdem gut die Belastung für den auf diese Weise in Besitz genommenen Menschen zu erkennen. Er fühlt sich von dieser Art Liebe erdrückt, gefesselt und in der Entfaltung seiner Persönlichkeit eingeschränkt.

Wenn die Eifersucht nur auf Personen des anderen Geschlechts beschränkt ist, erscheint sie normaler, vor allem auch, weil sie so weit verbreitet ist, daß eigentlich jeder diese Eifersucht kennt und schon an sich selbst und an anderen erlebt hat. Diese Eifersucht wird deshalb akzeptiert und für psychisch durchaus normal und gesund gehalten. Das hat sich so eingebürgert, und die meisten denken deshalb nicht weiter darüber nach, für sie ist diese Eifersucht verständlich, sie fühlen selbst so, und sie gestehen deshalb dem Partner das gleiche Gefühl zu. Die Eifersucht gehört zur Liebe, darüber scheint es keine Zweifel zu geben.

Denkt man jedoch etwas umfassender darüber nach und schiebt einmal alle bekannten Vorurteile beiseite, so ist die Liebe ein seelischer Vorgang, der mit der Eifersucht zunächst nicht automatisch verknüpft ist. Wenn ich liebe, dann spüre ich ein positives Gefühl der Zuneigung, (Ende Seite 45) Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und auch Respekt. Ich will den Menschen zunächst nur lieben, ihm meine Liebe geben, ich will ihn also nicht besitzen, verändern oder einschränken.

 

Die Liebe beginnt zunächst damit,
daß ich bereit bin, nur zu geben und zu fördern.

Danach entsteht der Wunsch,
zu Bekommen und selbst gefördert zu werden.

Wird der Wunsch erfüllt und beide Partner geben sich zu verstehen, daß sie sich lieben, klinkt bei den meisten Menschen der

Besitzanspruch ein:
"Ich liebe diesen Menschen,
 er liebt mich,
 nun gehört er zu mir und ich zu ihm."

Dieser Besitzanspruch ist ein großer Fehler, er ruft die Eifersucht hervor, und daraus entsteht großes seelisches Leid für beide.

 

Daß der Besitzanspruch auftaucht, ist in einer kapitalistischen Konsumgesellschaft verständlich. Der Besitz ist eine entscheidende Erfahrung, die für jeden, der in dieser Gesellschaft heranwächst, von prägender Bedeutung ist. Der Besitz von Konsumgütern ist eine Selbstverständlichkeit, und die Übertragung auf das Liebesobjekt erscheint auch verständlich, denn jede Liebe läuft auf die Entscheidung zu einer Ehegemeinschaft hinaus, und diese Gemeinschaft ist in starken Ausmaßen eine Wirtschaftsgemeinschaft, in der gemeinsamer Besitz angeschafft und verwaltet wird.

 

Wir müssen uns jedoch darüber klarwerden, daß die Liebe in ihrer ursprünglichen und eigentlichen Form mit Besitzgütern und Besitzverwaltung nichts zu tun hat. Die Liebe ist in ihrer reinen Form am schönsten, wenn sich zwei Menschen ohne Gedanken an Besitz begegnen und nur sich selbst sehen, also sich und den anderen nicht als Ware betrachten. (Ende Seite 46)

 

Wir sind Waren auf dem Persönlichkeitsmarkt der Liebe.
  • Mädchen und Frauen sind das, wenn sie sich "schön machen", um ihre Anziehungskraft zu testen,
  • und Männer sind das, wenn sie mit Statussymbolen protzen, um ihre Finanzpotenz zu demonstrieren.

Um richtig verstanden zu werden, möchte ich erwähnen, daß ich nichts dagegen habe, wenn sich Frauen schminken, um "hübsch" zu sein, und wenn Männer einen Sportwagen fahren, weil ihnen Autofahren Freude macht. Das zu verurteilen wäre ein Puritanismus, um den es hier überhaupt nicht geht, denn Lebensfreude ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Psyche.

Ich möchte jedoch bewußtmachen, daß die Motive neben der Lebensfreude auch darin bestehen können, den eigenen Warenwert als Persönlichkeitsware zu steigern, sich besser zu "Verkaufen".

Wer sich auf diese Weise verkaufen will, der ist dann meist auch sehr schnell verkauft, und er wird oft im Bereich der Liebe mit seiner Eifersucht und der des Partners konfrontiert.

 

Neben dem Besitzanspruch und der Verteidigung des Besitzes spielt auch die unbewußte Angst vor der Getrenntheit eine Rolle. Das hängt mit der Kindheitsentwicklung zusammen und der in dieser Zeit vorherrschenden Angst, schutzlos der Umwelt und ihren Gefahren ausgeliefert zu sein. Die Angst davor, die Liebe der Eltern zu verlieren, ist die erste erlebte Angst, die nebenbei auch mit materiellem Sicherheitsdenken verknüpft ist.

Würden die Eltern ihre Kinder anders erziehen, mit wirklicher Liebe, dann würde diese Angst keine Rolle spielen. Aber das liebesbedürftige Kind erhält meist nicht die existentielle Liebe, die es braucht, um sich sicher zu fühlen, um Vertrauen zu den Menschen, der Welt und auch zu sich selbst zu entwickeln. Dieses Mißtrauen und die damit empfundene Angst läßt kein Vertrauen entstehen, und das Mißtrauen wird später auf den Partner übertragen, und die Angst, ihn zu verlieren, ist stets gegenwärtig. (Ende Seite 47) Es besteht kein Vertrauen in die eigene Liebesfähigkeit und auch nicht in die Liebesfähigkeit des Partners. So geht die Kindheitserfahrung der mangelnden Liebe mit dem materialistischen Konsum- und Besitzdenken eine verhängnisvolle Einheit ein, und es erscheint "ganz normal", daß man Angst hat, die Liebe als Besitz zu verlieren, und man eifersüchtige Reaktionen an sich und am Partner erlebt.

 

Wer in der Liebe glücklich werden will; muß also zwei Dinge aus seinem Denken hinauswerfen,
  • einmal die Angst, nicht genügend geliebt zu werden,
  • und das Bedürfnis, das Liebesobjekt besitzen zu wollen
    einen materiellen Besitzgegenstand.

Die Antwort ist einfach: Konzentrieren Sie sich auf Ihre Liebe und nur auf sie. Liebe will

Wer sich darauf konzentriert, der ist liebesfähig und wird durch seine Liebe glücklich werden. Wer besitzen will und Angst hat, wird seine Liebesfähigkeit schwächen und alles verlieren.


Mythos 8: "Die Liebe ist ein Ereignis des Schicksals."

Die Mythologisierung der Liebe kommt besonders deutlich in der Schicksalsgläubigkeit zum Ausdruck. Der Jugendliche erwartet von der Liebe eine schicksalhafte Begegnung mit einem Menschen, mit dem er das ganze Leben verbringen möchte, und der ältere Mensch mit langjähriger Eheerfahrung glaubt, daß ihm das Schicksal den "richtigen" oder "falschen" Partner beschert hat.

Die Schicksalsgläubigkeit ist eng verbunden mit dem Glauben an den "einen Partner", der zu einem paßt wie ein Schlüssel ins Schloß. Ich höre immer wieder: "Ich suche den einen Menschen, der für mich bestimmt ist, das ist dann die große Liebe. Wenn ich diesem Partner begegne, weiß ich wahrscheinlich sofort, der ist es!" Fast jeder glaubt, daß es diese "schicksalhafte Bestimmung füreinander" gibt, und fast jeder sucht mehr oder weniger unbewußt nach einer solchen Begegnung. Von Kindheit an sind wir durch Informationen der Eltern, durch Romane und Illustriertenratschläge auf diesen Gedanken von der "einen großen, schicksalhaften Liebe" festgelegt.

Mit diesem Vorurteil kann erst Schluß sein, wenn man bereit ist, intensiver über die Liebe nachzudenken. (Ende Seite 49) Zunächst möchte ich klarstellen, daß Liebe nicht etwas ist, das schicksalhaft über den Menschen hereinbricht als ein Ereignis, das von außen kommt, dem man deshalb willenlos ausgeliefert wäre. Liebe ist immer eine Frage der Bereitschaft: Ich muß offen und aufgeschlossen sein, den anderen in mich aufnehmen und dazu bereit sein, ihn möglicherweise zu lieben. Wenn diese Bereitschaft fehlt, weil ich beispielsweise zur Zeit in einen anderen Menschen verliebt bin, dann entsteht auch aus einer Begegnung nichts weiter als eben eine Begegnung, die mich kaltläßt.

Die Bereitschaft, sich zu verlieben, erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß bei einer Begegnung Verliebtheit entsteht. Diese Bereitschaft ist eine wichtige Voraussetzung zur Liebe und zerstört schon einen Teil der Schicksalsgläubigkeit. Nun kann eingewendet werden, daß die Bereitschaft zwar wichtig wäre, aber deshalb nach wie vor die eine große Liebe existiert, und es wäre eben Schicksal, sie zu finden.

Wenn ein Mensch liebesfähig ist und Bereitschaft zur Liebe besitzt, dann kann er sich leicht verlieben, jede Verliebtheit hat zünächst die gleiche Qualität Hier machen die meisten auch keinen Bewertungsunterschied. Das Stadium der Verliebtheit ist immer schön, himmlisch rosarote Brille, auf Wolken schwebend, hinreißend.

Die Bewertung erfolgt etwas später, wenn die sexuelle Intimität erfolgt ist und man mehr voneinander weiß. Dann setzt der Verstand ein, der sich Gedanken macht:

Überlegungen zu diesen Problemkreisen haben nichts mit dem Gefühl der Liebe zu tun, denn hierbei geht es um die Frage: Will man (Ende Seite 50) mit diesem Menschen eine Partnerschaft eingehen und eventuell eine Ehe gründen?

Der Verstand stellt die Frage:

Geht der Test positiv aus, ist man also mit Status, Bildung, Beruf, Lebensphilosophie, Religion und Lebensstil des Partners einverstanden, ist man bereit, die Liebe sich weiter entfalten zu lassen; geht der Test jedoch negativ aus, überwiegen also die Bedenken, betrachtet man die Beziehung kritischer, man beginnt sich zu zanken - und dann war es nicht die große Liebe.

Nun wird immer wieder der Einwand vorgebracht, es gäbe die ganz große Leidenschaft, die sich über Status, Bildung usw. hinwegsetzt (Adliger heiratet Bürgerliche, Industrieller heiratet Arbeitertochter), und daraufkäme es an. Darauf basieren die meisten spannenden Liebesromane, sie vermitteln die schöne Geschichte, in der die Liebe über den Verstand triumphiert. Und so möchte jeder geliebt werden, gegen alle widrigen Umstände, nur um seiner selbst willen, alle Grenzen der Bildung, der Nationalität und Religionen überschreitend; das ist dann eine wirklich große Liebe.

Aller Ironie zum Trotz ist das tatsächlich eine große Liebe, in der nur die Liebe zählt und sonst nichts. So sollte es tatsächlich sein, und weil es selten geschieht, fühlen sich viele Menschen von einem solchen Ereignis magisch angezogen, zu Tränen gerührt, ihre eigene innere Verhärtung bricht für kurze Zeit auf, und sie können nachvollziehen, was es heißt, zu lieben und geliebt zu werden.

Nun kommt für den Romanleser der Pferdefuß, der ihm im Roman meist erspart bleibt.(Ende Seite 51)

 

  • Ein wirklich liebesfähiger Mensch,
  • für den nur die Liebe zählt und der sich
    mit Bereitschaft und
  • Offenheit anderen Menschen
  • liebend zuwenden kann,
  • ist nicht treu,

schon gar nicht ein Leben lang. Treue gilt als unumstößliche Tugend.

Ein
guter Mensch hat treu zu sein, auch ein Vorurteil,
das unter psychologischer Betrachtung nicht haltbar ist.

  • Ein Mensch, der lieben kann,
  • bleibt der Liebe treu, aber für ihn ist es
  • wichtiger zu lieben,
  • als treu zu sein.

Ein liebesfähiger Mensch kann denselben Menschen immer wieder lieben,

  • aber er versteht nicht,
  • warum er nicht gleichzeitig
  • noch andere Menschen lieben dürfen sollte.

 

Wenn jemand die Natur und die Tiere liebt, so würden wir es eigenartig, vielleicht sogar

krankhaft finden, wenn er ein ganzes Leben lang nur

liebt.

Wir würden das als eine zwanghafte Fixierung ansehen.

So wird es dargestellt, so wird auch von Psychologen geschrieben, und so wird es millionenfach geglaubt und auch gehofft. Welch ein gigantischer Selbstbetrug!

Dieser Selbstbetrug ist nur möglich, weil wir diese schreckliche Angst haben, verlassen zu werden, nicht genügend geliebt zu werden, weil die Liebe ein ganz wunder Punkt in der Seele und in unserem Bewußtsein ist, weil wir auch Angst davor haben, selbst zu lieben, weil wir nach der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft schielen, weil wir Geborgenheit suchen; dafür sind wir bereit, uns selbst krankhaft zu fixieren und diese Fixierung von einem anderen zu fordern. Wir sind bereit, aneinander krank zu werden und, was als eine hoffnungsvolle Liebe begann, systematisch zu einem langen Leidensprozeß aneinander zu machen. (Ende Seite 52)

unter anderem auch Aggressionen gegen den Autor. Unter diesem Aspekt ist dieses Buch ein undankbares Thema, und es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß es so wenig psychologische Literatur zum Thema Liebe gibt.


Mythos 9: "Der Mensch kann nur eine oder höchstens zwei große Lieben erleben."

Die Liebe ist kein seltenes, einzigartiges Ereignis, des Schicksals, sondern sie kann und sollte etwas Alltäglicher sein. Der Mensch kann nicht nur eine oder höchstens zwei große Lieben erleben, wenn er wirklich liebesfähig ist, sondern er kann sich sehr oft verlieben und zu vielen Menschen Liebe empfinden. An dieser Stelle taucht eine beliebte Frage auf: "Kann man zu gleicher Zeit zwei oder drei Menschen lieben?" Die Verliebtheit, vor allem bei einem Menschen, der ausgehungert nach nach Liebe ist, kann die Psyche so stark in Anspruch nehmen, daß in diesem Zustand kein Platz ist für eine zweite Verliebtheit. Von der starken Gefühlsgeladenheit der Verliebtheit einmal abgesehen, kann ein liebesfähiger Mensch mehrere Menschen gleichzeitig lieben, wobei er alle mit gleicher Intensität liebt, obwohl sie alle verschieden sind.

Da wir jedoch in der Regel an die "große Liebe" glauben, die angeblich so selten ist, ist verständlich, daß man jemand für einen schlimmen Don Juan hält, der angibt, zur gleichen Zeit zwei Menschen wirklich zu lieben. "Du mußt dich für einen entscheiden", raten deshalb die Freunde. (Ende Seite 54) Sie wollen nicht glauben, daß man zwei Menschen zur gleichen Zeit wirklich "echt" lieben kann.

Gerade die reine Liebe, die nicht getrübt ist durch das Auswahldenken für eine lebenslange Lebensgemeinschaft, ist zu mehreren Partnern möglich. Das ist psychologisch verständlich, aber der konventionell oder traditionell denkende Mensch wird es nicht verständlich finden, weil es nicht in sein Konzept von der auf Liebe gegründeten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft paßt.

Wenn wir hier von der Liebe reden, so wollen wir aufklären, was Liebe psychologisch ist, welcher Vorgang sich hierbei abspielt, und wir müssen davon absehen, was ein Jurist, Politiker, Lehrer, Pfarrer oder Philosoph über die Liebe denkt, sagt oder schreibt.

Ein Mensch, der liebesfähig ist, also dafür aufgeschlossen ist, andere zu lieben, für den gibt es keine Grenzen irgendwelcher Art. Die Liebe überwindet alle Barrieren der Tradition, denn die Liebe selbst birgt das Geheimnis der Erfüllung und des Lebensglücks, alles andere verblaßt dagegen und wird unwichtig, selbstverständlich auch das Tugendprinzip der Treue.

 

  • Ein liebesfähiger Mensch lebt,
  • um zu lieben, und
  • er fragt nicht nach der großen Liebe,
  • für ihn ist jede Liebe eine große Liebe,
  • es gibt da keine Unterschiede.

Unterschiede liegen zwar in der Individualität der verschiedenen Menschen, die er liebt,

aber er

  • liebt die Unterschiede
  • nicht mit unterschiedlicher Intensität,

er liebt

  • dieses Individuelle und
  • jenes Individuelle, aber
  • beides ist ihm gleich wichtig,

es gibt keine "große" Liebe mehr, keine Fixierung, sondern nur noch den

  • Fluß des Lebens,
  • die Wechselhaftigkeit alles Lebendigen.

 

Oft höre ich den Einwand, wer häufig andere Partner liebt, der hätte einen besonders ausgeprägten Sexualtrieb oder er hätte Selbstbewußtseinsstöruneen und müßte sich (Ende Seite 55) immer wieder selbst bestätigen und nach Anerkennung ringen.

Zunächst zum Argument "Sexualtrieb". Wer allein nach dem sexuellen Erlebnis sucht, sucht nicht die Liebe, sondern den sexuellen Genuß. Davon war nicht die Rede, denn Liebe und Sexualität müssen getrennt gesehen werden, obwohl die Sexualität zur Liebe gehört. Vor allem dürfen Sexualität und Liebe nicht gleichgesetzt werden, wie ich schon mehrfach betonte. Die Liebe ist als psychisches Erlebnis immer übergeordnet zu sehen, sie wird durch die Sexualität nur bereichert. Wer in erster Linie die Sexualität sucht, hat mit Liebe nicht viel im Sinn, er kann allerdings durch auftauchende Liebesgefühle angenehm überrascht werden.

Der in der Liebe treue Mensch, der einen sexuellen Seitensprung begeht, glaubt, auf diese Weise die hochgehaltene Liebe zu bewahren. "Was bedeutet schon die Sexualität?" sagt man dann plötzlich. Die Liebe wird verschlossen, die Sexualität darf sich entfalten.

Warum nicht umgekehrt?

 

Das viel Wichtigere ist jedoch die Liebe. Sie sollte sich entfalten können, dann spielt die Sexualität keine abgetrennte Rolle mehr, sie kann dann dazugehören oder auch ausgeklammert werden. Sie sollte erst in zweiter Linie kommen.

Auf die Liebe kommt es an, dann ergibt sich die Sexualität von selbst. Ist die Liebe da, dann ist auch die Sexualität schön. Ist nur die Sexualität ohne Liebe da, dann fehlt der Beziehung die Schönheit, der Glanz, die Freude, das tiefempfundene Glück, die Geborgenheit, die Lebensfreude, (Ende Seite 56) die Lösung der Spannung, das Gefühl der Erfüllung und Schönheit des Lebens: Es fehlt der Sinn.

Der Sinn ist nicht

sondern allein das Erlebnis der Liebe

Die Liebe ist erfüllend genug, sie braucht keine anderen Attribute. Die Liebe fragt auch nicht nach groß oder gering, nach stark oder schwach. Das wäre die Frage des Neurotikers, des verängstigten und frustrierten Menschen. Die Liebe ist immer groß genug, sie genügt sich selbst in ihrer Bedeutung, und wenn sie da ist, verstummt die Frage nach Größe und Schicksal. Wenn die Liebe da ist, dann schweigt das Denken; leider (bei den meisten Menschen) nur für eine kurze Zeit. In dieser kurzen Zeitspanne wird der Sinn des Lebens erlebt, sie ist deshalb kostbar, für viele der einzige Moment, der sie hinterher jahrelang, jahrzehntelang traurig macht, weil sie ihn verloren haben und nie mehr wiedergefunden haben.

Der liebesfähige Mensch erhält etwas geschenkt,

Die Liebe ist ein Geschenk des Lebens, das wir annehmen können oder das wir ausschlagen müssen. Wer es wirklich annehmen will, kann nicht mehr zurück in das traditionelle Denken von Treue, Besitz und Schicksal.


Liebe ist Zuwendung

Ich versuche nun, das Wesen der Liebe zu analysieren, nachdem im ersten Kapitel mehr davon die Rede war, was Liebe nicht ist, von den Mythen über die Liebe. Wenn wir uns mit dem Wesen der Liebe näher befassen, dann möchte ich zunächst davon schreiben, daß die Liebe, ganz allgemein ausgedrückt, Zuwendung ist. Etwas deutlicher gesagt, ist sie positive Zuwendung, während Haß negative Zuwendung ist.

Was ist positive Zuwendung? Besonders deutlich wird sie bei der Mutterliebe. Ohne die positive Zuwendung der Mutter auf die Bedürfnisse des Babys hin müßte es sterben oder seelisch und körperlich verkümmern. Mutterliebe ist die erste Liebe, die jeder Mensch erfährt, und sie bleibt für ihn ein Leben lang das Grundmodell der Erfahrung, geliebt zu werden. Man spürt als Erwachsener besonders dann, daß man geliebt wird, wenn man von jemandem uneingeschränkte Zuwendung erfährt. Und - ob man sich nun dessen immer bewußt ist oder nicht - man befindet sich im Zustand der Liebe, wenn man sich selbst jemandem zuwendet.

Zuwendung ist Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Wachheit gegenüber den anderen, aber nicht eine kritische (Ende Seite 63) Wachsamkeit, um Fehler zu entdecken, sondern eine interessierte, positive, verständnisbereite Wachsamkeit.

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Zuwendung geschieht natürlich nicht nur gegenüber Menschen, sondern gegenüber allem, was mich umgibt, was im Moment geschieht, was jetzt existiert.

Die Einstellung der Zuwendung bezieht sich also auch auf

alles, was im Moment geschieht.

Diese Zuwendung erscheint sehr einfach, und doch ist sie den meisten Erwachsenen verlorengegangen. Als Kind besitzen wir die Fähigkeit zur Zuwendung, zur vollen Aufmerksamkeit in stärkerem Maße, deshalb sind Kinder liebesfähiger als die meisten Erwachsenen. Warum geht die Fähigkeit zur Zuwendung mit zunehmendem Alter oft (Ende Seite 64) mehr und mehr verloren? Wir meinen, alles bereits zu kennen, und unser Leben wird eingeplant in Schematismen, in Sicherheitsbahnen, und wir verlieren die Fähigkeit, für den Augenblick aufmerksam und offen zu sein.

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Die liebende Zuwendung ist positiv, lebensbejahend, sie ist eine Einstellung, die über die Lebensfreude entscheidet. Nur die lebensbejahende Zuwendung führt zur Liebe. Nur diese allgemeine, allem Lebendigen zugewandte Aufgeschlossenheit führt zur Menschen- und Weltliebe.

Die Zuwendung zu allem Lebendigen ist die Grundlage der .Liebesfähigkeit. Diese Zuwendung ist die Voraussetzung (Ende Seite 65) für die Liebe, ohne sie kann keine Liebe entstehen und wachsen.

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Das Glück des Lebens und der Liebe dreht sich nicht um die Sexualität, sondern um die Sinne, um die Aufmerksamkeit und Wachheit mit positiver, fördernder Einstellung,

lieben heißt,

  • Aufmerksamkeit und Zuwendung geben,
  • nicht Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen
  • Das Bekommen ist eine Folgeerscheinung,
  • die schön ist und Freude gibt
    (die Freude, auch geliebt zu werden),
  • aber sie ist nicht die Bedingung.
  • Das Geben von Zuwendung
  • ist wichtiger
  • und bedeutungsvoller als das Bekommen.
  • Das Geben ist die Fähigkeit zu lieben.
    Hier liegt die Schwierigkeit für jeden einzelnen.
  • Bekommen ist dagegen einfach,
  • dazu gehört keine besondere Fähigkeit.

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Liebe und Selbstbewußtsein

Das Selbstbewußtsein hängt zentral mit den vergangenen Liebeserfahrungen und der daraus resultierenden gegenwärtigen Liebesfähigkeit zusammen.

Das Kind kann nur zu sich selbst finden, wenn es selbst sein darf,

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Ist das Selbstbewußtsem erst einmal gestört, sind die Minderwertigkeitsgefühle vorhanden, dann bedarf es für den Erwachsenen großer Anstrengungen, diese "Minderwertigkeitskomplexe" zu kompensieren (wie Alfred Adler es beschrieben hat) oder sie loszuwerden und das Selbstbewußtsein zu stärken oder aufzubauen. ....... Die Liebesbeziehung zu einem Partner bietet sich als weites Feld an, um verspätet zu sich selbst zu finden.

Die Selbstfindung erfolgt über die Spiegelung im anderen mit den Fragen:

Das Kompliment oder die Liebeserklärung führt zu einer kurzfristigen Beruhigung der quälenden Selbstzweifel. Wo kein stabiles Selbst entwickelt werden konnte, kann dies nicht durch ein Kompliment nachgeholt werden. Das Kompliment führt nur zu einer Art Vitaminstoß, der den Lebensmut und die seelische Vitalität steigert, aber das Selbstwertproblem kann dadurch nicht grundlegend beseitigt werden. Für das im Flirt erzielte Kompliment (oder die erflirtete Definition des Selbst) ist man bereit, sich zu verlieben und die Komplimente zurückzugeben. (Ende Seite 98)

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Wer sein Selbstbewußtsein durch den Partner steigern will, muß früher oder später erkennen, daß seine Liebe auf Sand gebaut ist, denn die Anerkennung, das Lob und die Komplimente lassen sich nicht lange aufrechterhalten, wenn die Alltagssituationen kommen, die Ängste und Ideologien wecken und das unsichere Selbst wieder in Selbstzweifel stürzen, die alten Abhängigkeiten von der Fremdbestimmung wecken und das alte Leiden des fehlenden Selbstbewußtseins erneut aufbrechen lassen. Die alten Wunden werden jetzt von dem Partner aktualisiert, der einige Tage, Wochen oder Monate zuvor die Vitaminspritzen der Komplimente so beruhigend und beschönigend gegeben hat. Groß ist die Enttäuschung, wenn sich herausstellt, daß auch dieser Partner Fehler "erkennt" und kritisiert, wenn er seinen fremdbestimmenden Einfluß geltend macht. Und wieder tritt Angst auf vor dem Liebesverlust, und wieder fehlt der Mut, autonomes Selbst zu sein, Individualität, Mut, Kraft und Vertrauen ins eigene Selbst zu haben.

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Wir müssen erfahren, daß uns niemand
  • fehlendes Selbstbewußtsein geben kann,
  • außer wir uns selbst.
  • Wir mißbrauchen den Liebespartner,
  • wenn wir ihn dazu benutzen,
    • uns Komplimente und
    • Selbstsicherheit
  • zu geben

Eine Liebe, die darauf spekuliert, ist immer zum Scheitern verurteilt,

denn bereits ihr Beginn ist von dem krankhaften Wunsch nach Anerkennung bestimmt.

 

Ist Liebe nicht "Anerkennung finden"? Für den verunsicherten Menschen ja, er fragt immer nach der Liebe des änderen. "Liebst du mich?" Das ist die Standardfrage des selbstunsicheren Menschen. Sehr häufig bekommt er darauf die Antwort: "Wenn du mich liebst, dann liebe ich dich auch." In dieser Antwort ist die ganze Tragik eines verunsicherten Paares enthalten, das nicht zur Selbstbestimmung gefunden hat. (Ende Seite 99)

 

Liebe ist keine Therapie für mangelndes Selbstbewußtsein.
  • Sie erfordert viel Selbstbewußtsein,
    damit sie sich realisieren kann,
  • ohne etwas zu erwarten,
  • ohne etwas zu bekommen.

Die reife Liebe erfordert autonomes Selbst und Individualität.

  • Das selbstbestimmte Ich verlangt nicht kompensatorisch
    nach Streicheleinheiten,
  • sondern es fühlt sich glücklich,
    den anderen zu lieben.

Liebe ist Zuwendung, Meditation, Kontemplation und Lebendigkeit im Augenblick.

Liebe realisiert sich in der Autonomie des Individuellen als ein Ereignis,

  • das keiner Komplimente bedarf,
  • keine Begierde wird geweckt,
  • keine Angst soll verdrängt werden

 

Liebe ist voll entfaltetes Selbstbewußtsein, das keiner Bestätigung bedarf.

 


Inhaltsübersicht Taschenbuch - aus Leseprobe von Peter Lauster

 


erstellt am 01.12.2000 von Jörg Bucher (Dipl.Ing.FH) Homepage